Von Grenzen und Steinen

Manchmal sieht man noch irgendwo einen alten moosbedeckten Grenzstein am Wegesrand stehen. Meist aber sind sie unter Laub, Gras oder Strauchwerk verborgen und entziehen sich dem Blick auch des aufmerksamsten Betrachters. Häufig sind sie aber schon längst privaten „Sammlern“ oder den modernen, schweren Gerätschaften der Land- und Forstwirtschaft zum Opfer gefallen.
Diese alten Grenzmarkierungen sind Überbleibsel aus Zeiten, als weite Teile Deutschlands noch aus vielen kleinen und kleinsten Grafschaften und Fürstentümern bestanden. Grade in den Gebieten Mittelhessen, Nassauer Land und Taunus sind sie „stumme Zeugen“ einer sehr komplexen und wechselvollen Territorialgeschichte, die über Jahrhunderte und Generationen hinweg das Leben der Menschen in dieser Region maßgeblich bestimmt hat.

Grenzstein Runkel - Kurtrier
Grenzstein der Grafschaft Wied-Runkel zum Kurfürstentum Trier
an der „Alten Heerstraße“ südlich von Villmar

Foto: J. Ost

Territorialgeschichte mit all ihren wechselnden Regentschaften, Grafen und Fürsten ist meist nicht unbedingt besonders spannend und unterhaltsam. In vielen Büchern und Darstellungen zur Lokal- und Regionalgeschichte gehört sie beim Lesen oft zu den „übersprungenen“ Kapiteln. Aber man sollte sich mal vor Augen führen, was es für die Menschen der damaligen Zeit bedeutete, in einer so kleinstaatlich geprägten Welt zu leben.
Wo wir heute eine Wanderung oder einen Spaziergang machen, überschreiten wir ohne es zu wissen oft mehrfach alte Landesgrenzen. Heute können wir uns kaum mehr vorstellen wie es war, als man etwa noch um 1800 auf dem Weg von Limburg nach Weilburg die Landesgrenzen des Kurfürstentums Trier, der Grafschaft Wied-Runkel und des Fürstentums Nassau-Weilburg passieren, dafür vielleicht mehrfach Zoll oder Wegemaut zahlen und Grenzkontrollen über sich ergehen lassen musste.

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Kartenausschnitt: Hessen im Jahre 1789
Quelle: Landesgeschichtliches Informationssystem (LAGIS) ··»

Schon ein paar Ortschaften weiter galten andere Gesetze, eine andere Währung sowie andere Maß- und Gewichtseinheiten. Im Falle von kriegerischen Konflikten mit wechselnden Bündnissen der Landesherren konnte dort plötzlich „Feindesland“ sein. Vom Zeitalter der Reformation bis in das 19.Jahrhundert hinein konnte dort eine andere „Staatsreligion“ herrschen, die auch immer wieder Anlass zu Problemen und Konflikten war.
Für die Menschen dieser Zeit bedeutete diese Kleinstaatlichkeit Einschränkungen in fast allen Lebensbereichen, wie wir sie uns heute kaum mehr vorstellen können, von Handel und Wandel bis hin zu der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen.
Auch davon berichten uns diese alten Grenzsteine in ihrer stummen Art und Weise und eben nicht nur von Grafen, Fürsten und wechselnden Regentschaften.

 

Alte Grenzsteine